Die marokkanische Regierung hat mehrere Projekte für grünen Wasserstoff mit einer Gesamtleistung von 20 GW aus erneuerbaren Energien und bis zu 8 Millionen Tonnen Derivaten bestätigt – viele davon sind in der besetzten Westsahara geplant.
Marokkos umstrittene Ambitionen für grünen Wasserstoff in den sogenannten „südlichen Provinzen“ – der besetzten Westsahara – sind nach neuen Äußerungen der Ministerin für Energiewende, Leïla Benali, während einer Sitzung im marokkanischen Parlament am 23. Juni 2025 weiter in den Fokus gerückt.
In ihrer Rede vor den Abgeordneten der Repräsentantenkammer präsentierte Ministerin Benali den aktuellen Stand der Wasserstoffstrategie des Landes, die als „Marokko-Angebot” bekannt ist. Sie bestätigte, dass im Rahmen dieser Initiative mehrere Projekte ausgewählt wurden, die darauf abzielen, etwa 20 Gigawatt erneuerbare Energie zu produzieren, darunter etwa 10 Gigawatt für die Elektrolyse, um bis zu 8 Millionen Tonnen grüne Wasserstoffderivate wie Ammoniak, synthetische Kraftstoffe und kohlenstoffarmen oder grünen Stahl herzustellen. Die ausgewählten Projekte werden voraussichtlich rund 63 Millionen Kubikmeter Wasser pro Jahr benötigen.
Die marokkanische Regierung fördert das „l’offre Maroc“ als Vorzeigeprojekt, um globale Investitionen in grüne Energie anzuziehen und das Land als zukünftigen Exporteur von grünem Wasserstoff zu positionieren. Die meisten der für die Projektentwicklung vorgesehenen Gebiete liegen jedoch in der Westsahara, außerhalb der internationalen Grenzen Marokkos. Die Westsahara ist laut den Vereinten Nationen ein Hoheitsgebiet ohne Selbstregierung, das seit 1975 illegal von Marokko besetzt ist.
Im März 2025 gab die marokkanische Regierung die Namen der Investor:innen bekannt, die für die Umsetzung von Projekten in den sogenannten „drei südlichen Regionen des Königreichs“ ausgewählt wurden. Diese Regionen sind Guelmim-Oued Noun, Laâyoune-Sakia El Hamra und Dakhla-Oued Eddahab – wobei die beiden letzteren fast vollständig der besetzten Westsahara entsprechen. Dakhla-Oued Eddahab umfasst die südliche Hälfte des Gebiets, während Laâyoune-Sakia El Hamra die gesamte nördliche Hälfte sowie ein kleines Gebiet im Süden Marokkos umfasst. Guelmim-Oued Noun, eine kleinere Region innerhalb Marokkos, überschneidet sich in ihrem östlichsten Teil leicht mit der Grenze zur Westsahara.
Somit liegen etwa drei Viertel der von der marokkanischen Regierung im Rahmen des Marokko-Angebots zur Verfügung gestellten Flächen nicht in Marokko, sondern in der besetzten Westsahara
Die im März ausgewählten Unternehmen sind:
Darüber hinaus werden derzeit zwei weitere Projekte im Rahmen von Vereinbarungen entwickelt, die im Oktober 2024 mit TotalEnergies und Engie unterzeichnet wurden. Derzeit gibt es keine Hinweise darauf, dass das TotalEnergies-Projekt in der Westsahara angesiedelt sein wird. Berichte aus dieser Zeit beschrieben es als vorläufige Vereinbarung zur Reservierung von Land für einen Standort in der Nähe der Atlantikküste in der Region Guelmim-Oued Noun – was darauf hindeutet, dass das Projekt außerhalb der Grenzen der Westsahara liegen würde.
Engie reagiert unterdessen nicht auf Fragen nach einer Klarstellung, inwiefern sein Mega-Deal mit dem marokkanischen Staatsunternehmen OCP, das Phosphatvorkommen in der Westsahara abbaut, mit der besetzten Westsahara zusammenhängt. Während die marokkanische Regierung die klimatischen und wirtschaftlichen Vorteile dieser Projekte hervorhebt, hat das Volk der Westsahara, die Sahrauis, der Nutzung ihres Landes und ihrer Ressourcen nicht zugestimmt.
Die internationale Rechtsprechung, darunter Urteile des Europäischen Gerichtshofs und Berichte von UN-Vertragsorganen, haben darauf hingewiesen, dass das sahrauische Volk jeder wirtschaftlichen Aktivität in der Westsahara zustimmen muss.
„Die Erschließung grüner Energie darf nicht auf Kosten der Grundrechte eines Volkes gehen“, sagte Sara Eyckmans, Koordinatorin von WSRW. „Diese Projekte bergen die Gefahr, dass die Besatzung unter einem grünen Vorwand verschleiert wird. Marokko hat kein rechtliches Mandat, natürliche Ressourcen zu auszubeuten oder seine Infrastrukturprogramme in dem von ihm besetzten Gebiet auszuweiten. Wir fordern alle ausgewählten Investor:innen auf, sicherzustellen, dass ihre Aktivitäten in voller Übereinstimmung mit dem Völkerrecht stehen und nicht zur Festigung der anhaltenden Besatzung genutzt werden.“
Der Vorstoß in Richtung grüner Wasserstoff vertieft Marokkos groß angelegte Bemühungen zur Ausbeutung der Wind- und Sonnenenergie in der besetzten Westsahara.
Da Sie schon einmal hier sind...
Die Recherchen von WSRW werden mehr denn je gelesen und genutzt. Unsere Arbeit ist zum überwiegenden Teil ehrenamtlich, sie erfordert Zeit, Hingabe und Sorgfalt. Aber wir tun sie, weil wir glauben, dass sie wichtig ist - und wir hoffen, dass Sie das auch tun. Mit einer kleinen monatlichen Unterstützung können Sie einen wichtigen Beitrag dazu leisten, die Zukunft von WSRW zu sichern und dafür sorgen, dass wir weiterhin unseren komplett unabhängigen Recherchen nachgehen können.
Eine regelmäßige Spende können Sie hier einrichten. Vielen Dank!
In dem besetzten Gebiet ist ein 500-MW-Hyperscale-Rechenzentrum für künstliche Intelligenz geplant.
Der Export von Phosphatgestein aus der besetzten Westsahara war noch nie geringer als 2019. Dies geht aus dem neuen WSRW-Bericht P for Plunder hervor, der heute veröffentlicht wurde.
WSRW veröffentlicht heute seinen aktualisierten Übersichtsbericht aller Käufer, die im vorherigen Jahr Phosphatgestein aus der Westsahara gekauft haben. In dem Bericht werden die Mengen, die Erlöse sowie die Verschiffungen im Auftrag der marokkanischen Besatzungsverwaltung aus der besetzten Westsahara für 2014 genannt.
WSRW stellt heute zum ersten Mal einen umfassenden Bericht über die marokkanischen Phosphatgestein-Exporte aus der besetzten Westsahara der Öffentlichkeit vor und benennt darin konkret die Anwerbungen von Abnehmern, Umfänge, Verkaufserlöse und Abtransporte.